Überschussbeteiligung: Urteil zur Kürzung bei Lebensversicherungen

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Das Landgericht Düsseldorf bestätigte 2017 das Recht der Versicherungsgesellschaften, die Überschussbeteiligung zu kürzen.

Kürzung der Überschussbeteiligung: Stützung angeschlagener Versicherungskonzerne

Die erlaubte Kürzung der Überschussbeteiligung soll die Versicherungsgesellschaften davor schützen, in eine existenzbedrohende wirtschaftlichen Lage zu geraten. Verbraucherschützer erwägen weitere Klagen.

Warum wurde die Kürzung der Überschussbeteiligung erlaubt?

Verbraucherschützer kritisieren das Urteil, das eine Kürzung der Überschussbeteiligung als rechtens bewertet wurde. Der Bund der Versicherten (BdV) hatte vor dem Landgericht Düsseldorf Berufung gegen ein zuvor vom Amtsgericht Düsseldorf verhängtes Urteil (Az. 50 C 356/16) eingelegt.

Ziel der Verbraucherschützer war es, die Interessen der Versicherten zu vertreten und auf diesem Wege zu erreichen, dass die Versicherungskonzerne dazu gezwungen werden, die Überschussbeteiligung in voller Höhe an die Versicherten auszuzahlen. Abhängig von der Höhe des Versicherungsvertrags könnten den Versicherten bis zu 10.000 Euro Überschussbeteiligung entgehen. Auch das Landgericht Düsseldorf kam bei seinem Urteil (Az. 9 S 46/16) zum Ergebnis, dass die Kürzung der Überschussbeteiligung rechtens sei.

Video: Antworten zum Thema: Garantien und Überschussbeteiligung bei Renten- und Lebensversicherungen

Warum wurde gegen die Interessen der Versicherten entschieden?

Grundlage der richterlichen Entscheidung ist das Lebensversicherungsreformgesetz aus dem Jahr 2014, das bereits damals von den Verbraucherschutzverbänden heftig kritisiert wurde. Dieses Gesetz ermöglicht es der Versicherung, die Überschussbeteiligung zu kürzen, wenn das Unternehmen ansonsten aufgrund der historisch niedrigen Zinsen in wirtschaftliche Schwierigkeiten geraten würde. Vor allem in den Verträgen, die vor 2005 abgeschlossen wurden, wird den Versicherten ein hoher Garantiezins zugesichert. Diese Rendite in der Niedrigzinsphase zu erwirtschaften, ist vor allem für finanzschwache Versicherer ein großes Problem. Die hohen Garantiezinsen können aktuell von den Versicherungsgesellschaften auf dem Kapitalmarkt nicht erwirtschaftet werden.

Eine über den Garantiezins hinausgehende Beteiligung der Versicherungsnehmer an den Überschüssen würde somit die Unternehmen stark belasten. Das Gericht bewertete das Recht auf Bestandsschutz der Versicherungsgesellschaften höher als das Recht der Kunden auf Beteiligung an den Überschüssen. Mit dem Urteil wurde das Recht der Versicherungen bestätigt, die Beteiligung an den Überschüssen von der wirtschaftlichen Situation des Unternehmens abhängig zu machen. Die Versicherten haben nur ein Informationsrecht, jedoch kein Recht auf Rechnungslegung.

In der aktuellen Niedrigzinsphase haben die Versicherungen kaum Möglichkeiten, die Beiträge renditestark zu investieren. (#01)

In der aktuellen Niedrigzinsphase haben die Versicherungen kaum Möglichkeiten, die Beiträge renditestark zu investieren. (#01)

Welchen Einfluss hat die Niedrigzinsphase auf das Urteil?

Seit Jahren verfolgt die Europäische Zentralbank die Nullzins-Politik. Was für Kreditnehmer sehr erfreulich ist, stellt Sparer vor große Probleme. Auf den Kapitalmärkten sind kaum lukrative Möglichkeiten der Geldanlage vorhanden und es wird aus diesem Grund immer schwieriger, Kapital für die private Altersvorsorge zinsbringend anzulegen. Gleichzeitig schwindet das Vertrauen der Menschen in die gesetzliche Rentenversicherung.

Die Versicherungsgesellschaften stehen vor ähnlichen Problemen. Versicherte zahlen viele Jahre in diese Verträge ein, um später nicht allein von der gesetzlichen Rente abhängig zu sein. Die Unternehmen investieren ihrerseits die Beiträge auf dem Kapitalmarkt, um die Renditen zu erwirtschaften. In der aktuellen Niedrigzinsphase haben die Versicherungen kaum Möglichkeiten, die Beiträge renditestark zu investieren. Zufriedenstellende Erträge werden zwar auf dem Aktienmarkt erzielt, dieser ist jedoch aufgrund des höheren Risikos nicht geeignet, um dort das gesamte Geld der Versicherten anzulegen.

Damit die Existenz der Versicherungsgesellschaft nicht gefährdet wird, darf sie in Zeiten wirtschaftlicher Krisen entscheiden, die Überschussbeteiligung zu kürzen. Die Überschussbeteiligung ist ein Bonus für die Versicherten, dessen Höhe jedoch abhängig von der allgemeinen wirtschaftlichen Situation der Versicherung ist. Eine ungekürzte Auszahlung dieser Boni würde nach Ansicht des Gerichts die Versicherungsgesellschaften zu stark belasten.

Die geförderten Altersvorsorgemöglichkeiten und private Rentenversicherungen haben jedoch mit ähnlichen Problemen wie die Lebensversicherungen zu kämpfen. Auch diese Formen der Vermögensbildung hängen vom Kapitalmarkt ab und deshalb sinken in Zeiten niedriger Zinsen die Renditen. (#02)

Die geförderten Altersvorsorgemöglichkeiten und private Rentenversicherungen haben jedoch mit ähnlichen Problemen wie die Lebensversicherungen zu kämpfen. Auch diese Formen der Vermögensbildung hängen vom Kapitalmarkt ab und deshalb sinken in Zeiten niedriger Zinsen die Renditen. (#02)

Welche Auswirkung hat die Kürzung der Überschussbeteiligung?

Die Versicherungsgesellschaften haben Kunden mit der Aussicht auf eine hohe Wertentwicklung ihrer Beiträge angeworben. Die Kapitallebensversicherung war deshalb jahrzehntelang für viele Menschen ein wichtiger Bestandteil der privaten Altersvorsorge und eine Ergänzung der gesetzlichen Rente. Bei der in Aussicht gestellten Gesamtrendite wurde neben dem Garantiezins auch immer eine Überschussbeteiligung einbezogen. Die Versicherten sind somit davon ausgegangen, dass ihre Lebensversicherung weitaus mehr erwirtschaftet, als dies jetzt tatsächlich der Fall ist.

Auf der anderen Seite sollen die Versicherten als Versichertenkollektiv davor geschützt werden, dass die Versicherungsgesellschaft während einer länger anhaltenden Niedrigzinsphase in ihrer Existenz gefährdet ist und deswegen die garantierten Zahlungen nicht mehr leisten kann. Das Urteil dient also auch dem Verbraucherschutz. Verändert sich die Situation auf dem Kapitalmarkt, entspannt sich die Situation der Versicherungsgesellschaften und die Begründung für eine Kürzung der Überschussbeteiligung entfällt. Es wird Aufgabe der Verbraucherschützer sein sicherzustellen, dass dann auch tatsächlich die Kürzungen entfallen.

Video: Widerspruch bei der Lebensversicherung | Interview mit Jochen Resch

Verkauf der Verträge an Abwicklungsunternehmen

Da die Versicherungskonzerne mit den Kapitallebensversicherungen keine guten Geschäfte mehr machen, verkaufen einige Versicherer die Verträge an Abwicklungsunternehmen. Diese kürzen die Überschussbeteiligung dann erheblich. Es ist nicht auszuschließen, dass bei länger anhaltender Niedrigzinsphase Millionen von Versicherten betroffen sein werden.

Betroffenen Versicherten rät der BdV, Ruhe zu bewahren, denn auch die Abwicklungsunternehmen müssen den gesetzlichen Verpflichtungen nachkommen. Wann es sich lohnt, die Kapitallebensversicherung selbst zu verkaufen, zu kündigen oder eine Zeitlang beitragsfrei zu stellen, kann nur eine genaue Analyse des Versicherungsvertrages ergeben. Verbraucher sollten in einem solchen Fall den Rat einer Verbraucherzentrale einholen und erst danach in Ruhe eine Entscheidung treffen.

Alternativen zur Kapitallebensversicherung

Kapitallebensversicherungen sind als private Altersvorsorge nicht mehr empfehlenswert und werden deswegen zum größten Teil nur noch als Risikolebensversicherung abgeschlossen. Es ist jedoch unbestritten, dass es nicht ausreichen wird, sich auf die gesetzliche Rentenversicherung zu verlassen. Es stellt sich somit die Frage, wie die Verbraucher alternativ Geld anlegen können.

Es gibt verschiedene Möglichkeiten der Geldanlage, die sich im Hinblick auf die zu erwartende Rendite und das Risiko erheblich unterscheiden:

  • geförderte Altersvorsorgeverträge (Riester-Rente)
  • private Rentenversicherung
  • Kauf von Immobilien oder Immobilienfonds
  • Aktien oder Aktien-Fonds
  • Rohstoff-Fonds

Die geförderten Altersvorsorgemöglichkeiten und private Rentenversicherungen haben jedoch mit ähnlichen Problemen wie die Lebensversicherungen zu kämpfen. Auch diese Formen der Vermögensbildung hängen vom Kapitalmarkt ab und deshalb sinken in Zeiten niedriger Zinsen die Renditen.

Immobilien, Aktien oder Fonds bieten bessere Renditechancen, wobei das Risiko bei einem Fonds relativ gering ist, besonders wenn dieser breit aufgestellt ist und nicht in risikobehaftete Branchen oder Länder investiert.

Die Rentnerin wendet sich an den Verbraucherschutz (#03)

Die Rentnerin wendet sich an den Verbraucherschutz (#03)

Welche Möglichkeiten haben Verbraucherschützer zukünftig?

Der Bund der Versicherten hat die Möglichkeit, die nächste Instanz anzurufen, um eine Gesetzesänderung zu erwirken. Dafür muss eine Klage beim Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe eingereicht werden. Der BGH könnte alle vorherigen Urteile aufheben. Letzte Instanz wäre danach das Bundesverfassungsgericht. Es ist allerdings bereits eine Reform des Lebensversicherungsreformgesetzes geplant, die den Versicherungsunternehmen eine noch weiterreichende Unterstützung bietet.

Auf die Verbraucherschützer wartet die schwierige Aufgabe, diesen Reformprozess im Sinne der Versicherten zu beeinflussen. Da jedoch die Niedrigzinsphase anhält, ist nicht zu erwarten, dass die Reform der Reform die Position der Versicherungsgesellschaften schwächen wird.


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