Das ewige Widerrufsrecht ermöglicht unter bestimmten Bedingungen das nachträgliche Widerrufen einer Lebensversicherung.
Widerrufen der Versicherung: Profitabler als eine Kündigung
Fast die Hälfte aller Haushalte besitzt eine Lebensversicherung, denn sie galt jahrzehntelang als optimale Möglichkeit der Altersvorsorge. Lukrative Renditen und der gleichzeitige Versicherungsschutz waren die Hauptargumente, mit denen die Versicherungen Kunden vom Abschluss dieser extrem langfristigen Verträge überzeugten. Die hohen Renditeerwartungen gehören leider längst der Vergangenheit an.
Enttäusche Versicherte bekommen teilweise nur die Hälfte dessen ausbezahlt, was die Versicherungen ihnen einst versprochen haben. Aus diesem Grund versuchen viele Kunden, aus dem Vertrag auszusteigen und zu kündigen. Meist ist das Widerrufen der Versicherung jedoch die profitablere Alternative und trägt besser zur Schadensbegrenzung bei.
Lebensversicherung: Niedergang einer beliebten Form der Altersvorsorge
Eine Lebensversicherung war lange Zeit der Inbegriff der perfekten Vorsorge und Garantie für ein sorgenfreies Alter. Bereits im jungen Erwachsenenalter abgeschlossen, konnten mit relativ niedrigen Monatsbeiträgen hohe Renditen erwirtschaftet werden und zusätzlich war die Familie durch eine Versicherung geschützt.
Nach der Bankenkrise im Jahr 2008 und der folgenden Niedrigzinspolitik der Europäischen Zentralbank sind die Überschussanteile deutscher Lebensversicherungen extrem gesunken. Besonders die fondsgebundenen Lebensversicherungen, die vorher besonders hohe Renditen ermöglichten, verloren deshalb deutlich an Attraktivität und sind eigentlich kaum noch als Altersvorsorge geeignet. Viele Versicherungspolicen, die vor dem Jahr 2000 abgeschlossen wurden, litten unter den Crashs 2008 und 2010 und konnten sich davon auch nicht mehr erholen.
Wege aus der Vertragsfalle: Wie steigt man am besten aus der Lebensversicherung aus?
Im Nachhinein erwies sich somit die Wahl einer Lebensversicherung für die Versicherten als folgenschwerer Fehler. Viele Kunden fragen sich, wie sie zumindest Teile Ihrer Altersvorsorge retten können. Eine Möglichkeit besteht darin, den Vertrag bei der Versicherung zu kündigen, um danach eine andere Form des Sparens zu wählen, die bessere Renditen erwirtschaftet. Das Verkaufen eines bestehenden Vertrages ist eine weitere Option.
Es gibt jedoch eine dritte Möglichkeit, den Schaden zu begrenzen, denn der Gesetzgeber räumt den Kunden unter bestimmten Bedingungen ein sogenanntes „ewiges Widerrufsrecht“ ein. Von diesem Widerrufsrecht können Kunden einer Versicherung sogar dann profitieren, wenn sie ihre Lebensversicherung bereits vor Jahren gekündigt haben.
Es gibt also drei Möglichkeiten, eine Lebensversicherung vorzeitig zu beenden. Was dabei zu beachten ist und welche Option die vorteilhafteste für den Versicherten ist, soll im Folgenden näher erläutert werden.
- Verkauf des Versicherungsvertrages
- Kündigung der Lebensversicherung
- Widerrufen der Lebensversicherung
Video: Lebensversicherung jetzt widerrufen – Ergo vor Millionen-Verkauf alter Policen! #FragMingers
Verkauf oder Kündigung des Versicherungsvertrages?
Schon vor dem Bankencrash hielt nur die Hälfte aller Versicherten bis zum Ende der Laufzeit durch. Finanzielle Engpässe oder der Wunsch, die Altersvorsorge anders zu gestalten, führten schon immer dazu, dass die Kunden nach Optionen suchten, die Versicherungen zu beenden, ohne dabei Geld zu verlieren.
Eine Möglichkeit ist der Verkauf der Lebensversicherung oder die Beleihung des Vertrages. Das ist immer dann sinnvoll, wenn der Versicherte bereits mehr als fünf Jahre Beiträge eingezahlt hat. Eine Kündigung hat in diesen Fällen zur Folge, dass der Versicherte Geld verliert, weil die Versicherung lediglich den Rückkaufswert erstattet. Die Ansprüche auf den Überschuss entfallen.
Eine andere Alternative besteht darin, den Vertrag zu beleihen oder ihn beitragsfrei zu stellen. Das ist jedoch nur dann empfehlenswert, wenn man an einem Vertrag festhalten möchte, der eigentlich gute Renditen erwirtschaftet und es nur darum geht, die monatlichen Beiträge zu sparen oder alternativ zu investieren.
Ein Verkauf der Versicherung war im Durchschnitt günstiger als eine Kündigung. Da die Lebensversicherungen jedoch an Attraktivität eingebüßt haben, ist es für die besonders betroffenen Verträge sehr schwierig, diese zu einem guten Preis zu verkaufen. Für Verträge, die in der Zeit von Juli 1994 bis Ende 2007 abgeschlossen wurden, gibt es aber eine dritte Option: Der Bundesgerichtshof (BGH) hat ein Widerrufsrecht eingeräumt, das die Verbraucherinteressen schützen soll.
Warum ist das Widerrufen der Versicherung zu empfehlen?
Nach mehreren Urteilen des BGH besteht für eine ganze Reihe von Lebensversicherungen die Möglichkeit, diese auch Jahre später zu widerrufen. Das gilt sogar für Verträge, die der Versicherte bereits vor mehreren Jahren gekündigt hat. Diese Regelung tritt immer dann in Kraft, wenn es die Versicherungsgesellschaft versäumt hat, ihre Kunden korrekt und vollständig über deren Widerrufsrecht zu informieren. In diesen Fällen gibt es keine Frist für den Widerruf, womit der besonderen Relevanz von Lebensversicherungen für die Altersvorsorge Rechnung getragen wird.
Warum ist der Widerruf die vorteilhafteste Möglichkeit der Vertragsbeendigung?
Generell betrifft diese Regelung die Verträge, die zwischen 1994 und 2007 nach dem Policen-Modell abgeschlossen wurden. Ein derartiger Vertragsabschluss liegt vor, wenn es die Versicherung versäumt hat, schon vor oder spätestens bei der Antragstellung alle Informationen zur Verfügung zu stellen, die den Kunden umfassend über sein Widerrufsrecht in Kenntnis setzen. Dabei ist es völlig unerheblich, ob es sich um eine fondsgebundene Lebensversicherung handelt. Auch die Riester- und Rürup-Rentenversicherungen, die in diesem Zeitraum abgeschlossen wurden, sind von der Entscheidung des Bundesgerichtshofs betroffen und können somit widerrufen werden.
Für die Verbraucher ist das Ausüben ihres Widerrufsrechts vorteilhafter als eine Kündigung des Vertrages, denn die Versicherung muss den gesamten Versicherungsvertrag rückabwickeln. Anders als im Falle einer Kündigung erhält der Kunde auf diese Weise fast seine gesamten eingezahlten Beträge zurück und kann sogar eine angemessene Verzinsung verlangen. Außerdem sind bei einigen Verträgen, insbesondere bei der Rürup-Rente, Kündigungen gar nicht möglich, sodass die Rückabwicklung in Folge eines Vertragswiderrufs die einzige Option darstellt, aus dem Vertrag auszusteigen.
Mit welchen Problemen muss der Versicherte rechnen?
Die Entscheidung des BGH ist verbraucherfreundlich und einige Versicherungsgesellschaften versuchen, sich gegen die Rückabwicklungen gerichtlich zu wehren. Besonders wenn der Kunde auf einem sehr hohen, vielleicht sogar überhöhten, Rückabwicklungswert besteht, kann dies auch durchaus erfolgreich sein.
Dann muss der Versicherte auch noch die Kosten der Klage übernehmen. Oft sind die Versicherungsgesellschaften aber zu einem für beide Seiten akzeptablen Vergleich bereit. Es ist dennoch empfehlenswert, den Vertragswiderruf von einem kompetenten Anwalt verfassen zu lassen. Dann lassen sich Rückabwicklungswerte erzielen, die im Durchschnitt 20 bis 30 Prozent über dem Rückkaufswert liegen.
Wie reicht man einen Widerruf ein?
Wer vermutet, dass sein Versicherungsvertrag von der Möglichkeit betroffen ist, sollte folgendermaßen vorgehen:
- Vorhandensein der Widerrufsbelehrung prüfen
- Rendite des Vertrages ermitteln
- Rückabwicklungswert berechnen
- Widerspruchsschreiben aufsetzen
- Eventuell: Hinzuziehen eines Ombudsmanns
- Eventuell: Einreichen einer Klage
Zunächst muss überprüft werden, ob ein Vertragswiderruf in Betracht kommt. Zu diesem Zweck wird festgestellt, ob der Versicherte eine korrekte und vollständige Widerrufsbelehrung erhalten hat. Nur wenn dies nicht der Fall ist, kann der Versicherungsvertrag auch nach Jahren noch widerrufen werden. Es gibt spezialisierte Anwälte, die eine kostenlose Überprüfung aller Vertragsunterlagen übernehmen. Alternativ können sich Versicherte an eine Verbraucherzentrale wenden und sich dort beraten lassen. Hier erhalten Versicherungsnehmer alle nötigen Informationen.
Danach ist es sinnvoll zu überprüfen, ob sich der Vertragswiderruf lohnt. Mit einem kostenlosen Online-Rechner ermitteln Versicherte die Rendite ihres Vertrages und den Wert, den sie zurückerhalten würden. Entscheidet sich der Versicherte dann für einen Widerruf, kann er die Angelegenheit einem Anwalt übergeben oder einen Musterbrief aus dem Internet verwenden, um den Versicherungsvertrag schriftlich zu widerrufen.
Verweigert die Versicherung die Rückabwicklung des Vertrages oder meldet sie sich nicht, besteht die Möglichkeit, einen Ombudsmann zu beauftragen, der sich um eine Vermittlung bemüht. Ist auch dieser Schritt erfolglos, bleibt nur der Weg, über eine Klage bei Gericht die Rechte durchzusetzen. Dabei muss jedoch beachtet werden, dass im Falle eines Scheiterns die Gerichtskosten übernommen werden müssen, sofern der Versicherte nicht über eine Rechtsschutzversicherung verfügt.
Wie sollten Versicherte beim Anfechten bereits gekündigter Versicherungen vorgehen?
Die Vorgehensweise unterscheidet sich nicht von der eines Vertragswiderrufs laufender Versicherungsverträge. Die Kunden müssen den Antrag schriftlich einreichen und dabei auch auf eine angemessene Verzinsung ihrer bereits bezahlten Beiträge bestehen. Wenn die Versicherungsgesellschaft nicht auf dieses Schreiben reagiert, was nicht selten der Fall ist, bleibt der Weg einer Klage vor Gericht.
Lohnt sich das Widerrufen einer Lebensversicherung?
Laut Schätzung der Allianz Versicherung sind bis zu 108 Millionen Versicherungsverträge von der Entscheidung des BGH betroffen. Es lohnt sich also durchaus zu überprüfen, ob der eigene Vertrag dazugehört, denn dann erhält der Versicherungsnehmer wesentlich mehr Geld zurück als im Falle einer Kündigung. Es besteht sogar ein Recht auf eine angemessene Verzinsung der eingezahlten Beiträge.
Die Chancen sind nicht schlecht. Die Verbraucherzentrale Hamburg geht davon aus, dass über 60 Prozent aller in der fraglichen Zeit abgeschlossenen Versicherungsverträge hinsichtlich der Widerrufsbelehrung fehlerhaft sind. In den meisten Fällen lohnt es sich, den Versicherungsvertrag zu widerrufen.
Bildnachweis:©Shutterstock-Titelbild: PeJo – #01: Olha Kho – #02: rogistok – #03: Ralf Geithe
1 Kommentar
Das wenn mir vor paar Jahren schon mal jemand erzählt hätte.. Natürlich wurde ich nicht über mein Widerrufsrecht informiert, habe meine Police gekündigt und nur den Rückkaufswert erstatten bekommen. Gibt es im Nachhinein zufälligerweise hier auch noch irgendwelche Schlupflöcher? Wohl kaum, oder?